Dieter Krickeberg, Komponist und Musikwissenschaftler, wurde am 14. Juli 1932 in Ludwigslust/Mecklenburg geboren. Zu seinen Spezialitäten gehört das Komponieren neuartiger Musik für historische Instrumente der europäischen Kunstmusik, besonders für solche Instrumente, die bisher weniger mit neuen Kompositionen bedacht wurden, ferner für Akkordeon bzw. Bandonion. Die Titel einiger Stücke verraten einen kabarettistischen Einschlag.
Um 1948 war Krickeberg Kompositionsschüler von Traugott Fedtke. Ab 1950 studierte er an der Freien Universität Berlin Musikwissenschaft im Doppelhauptfach (europäische und außereuropäische Musik, systematische Musikwissenschaft) und wurde 1963 zum Doktor promoviert. Neben dem Studium beschäftigte er sich autodidaktisch mit dem Komponieren und erhielt dabei wichtige Hinweise von Josef Rufer (Schüler von Arnold Schönberg) und Friedrich Scholz (Schüler von Boris Blacher). Um 1958 war er Stipendiat der Notgemeinschaft der deutschen Kunst.
Seit 1963 arbeitete Krickeberg am Staatlichen Institut für Musikforschung Preußischer Kulturbesitz in Berlin, und zwar ab 1969 speziell im Musikinstrumenten-Museum des Instituts. 1959 bis –70 war er in Berlin auch Musikkritiker der Tageszeitung Die Welt, zuständig insbesondere für neue Kammermusik, 1966 und 1967 zugleich Redakteur für Musik der Gegenwart beim Deutschlandfunk in Köln. Die Tätigkeit im Musikinstrumenten-Museum führte zu ersten Kompositionen für historische Instrumente, nicht zuletzt aufgrund genauer Kenntnis der Instrumente bzw. ihrer spieltechnischen Möglichkeiten.
1984 bis 1996 war Krickeberg Leiter der Abteilung für Musikinstrumente des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg. 2001 hielt er bei den Ferienkursen der Studienstiftung des Deutschen Volkes in Roth den Vortrag „Wie neu muß neue Musik sein?“. 2002 referierte er bei einer Tagung in Michaelstein über „Neue Musik für historische europäische Instrumente“ (veröffentlicht in: Historische Aufführungspraxis und ihre Perspektiven, Augsburg/Michaelstein: Wißner 2007, S. 23 – 26 [= Michaelsteiner Konferenzberichte 67]).
Im Auftrag des Berliner Festivals MaerzMusik entstand das Doppeltrio für Gamben (2003/4). Henri Pousseur zeigte sich beeindruckt von diesem Werk „sowohl durch die ungewohnten und sehr reizenden harmonischen Farben... als auch von dem originellen Bezug zur alten Musik“ (2005).
Die Verbindung verschiedener Stilarten wurde seit 1963 zu einem Grundzug von Krickebergs Kompositionen. Kompositorische Idiome des 20. Jahrhunderts (auch Geräusche) kombiniert er mit (überwiegend kurzen) Zitaten älterer Stilelemente. In den seit 1967 allmählich häufiger werdenden Stücken für historische europäische Instrumente handelt es sich bei diesen Zitaten meist um Anregungen (seltener um wörtliche Übernahmen) aus der europäischen Kunstmusik des 16. bis 18. Jahrhunderts.
Die Art und Weise, in der Krickeberg ältere und neuere Ansätze verbindet, ist unterschiedlich; die Zitate historischer Stilarten behalten dabei meist ihre klare Eigenart. Es geht um Konfrontation, aber auch um Übergänge oder um Kombination in der Gleichzeitigkeit, kaum jedoch um Bewahrung von Tradition. Der Sinn der Stilverbindungen berührt sich mit der surrealistischen Ästhetik des Malers Max Ernst: So wie die Bilder von Ernst Dinge verbinden, die in der rational, quantitativ überprüfbaren Welt der alltäglichen Erfahrung nicht zusammengehören, verbinden Krickebergs Kompositionen historisch, geografisch und kulturell disparates musikalisches Material. Es geht nicht darum, die messbare Realität anzusprechen sondern die des inneren Erlebens. Musik vermittelt sinnlich-geistige Erlebnisse, und sie kann Trost bedeuten.
Kompositionstechnisch sind Mikrotonalität bzw. Skalen mit ungewöhnlichen Intervallen wichtig. Die Mikrotonalität ergibt sich meist aus der Einstimmung reiner Terzen und ist schon von hier aus mit einer Art Emanzipation der Konsonanz verbunden. Dissonanzen, „Klangfarbenmelodie“ stehen dem dominierend gegenüber. Die Mikrotonalität, die sich aus den reinen Terzen ergibt, besteht überwiegend aus Fünfteltonschritten, wie sie annähernd zwischen Cis und Des, Dis und Es usw. liegen. Diese Mikrotonalität ist auf den meisten historischen Instrumenten der europäischen Kunstmusik vorzüglich auszuführen; sie ist ja gewissermaßen in der mitteltönigen Stimmung enthalten, wie sie vom 16. bis zum 18. Jahrhundert gebraucht wurde.
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